Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag, 3. Oktober 2017, die Vertreter der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zu einem Treffen in die Wiener Hofburg eingeladen. Für die Orthodoxe Kirche nahm Metropolit Arsenios als ranghöchster Vertreter an der Begegnung teil.
Bundespräsident Van der Bellen wie auch Kardinal Schönborn schworen in ihren Reden die Vertreter der Kirchen und Religionen auf die demokratische Rechtsordnung bzw. die demokratischen Grundwerte der Gesellschaft ein.
Bundespräsident Van der Bellen würdigte das soziale Wirken der Kirchen und Religionen: „Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.“ Auch die Kritik an einem „überbordenden Kapitalismus“ oder die Förderung des Umweltschutzes seien wesentliche Elemente, die die Kirchen zur öffentlichen Bewusstseinsbildung beitragen würden.
Mit Recht würden die Kirchen und Religionen sich auch bei politisch kontroversiellen Themen zu Wort melden. Der Bundespräsident nannte wörtlich Themen wie die aktive Sterbehilfe, Abtreibung, Homosexualität oder Fragen des Familienrechts. Gegenteilige Standpunkte seien aber genauso zu bedenken, denn der weltanschauliche Pluralismus gehöre zu den Grundlagen des Gemeinwesens. „Und die staatliche Rechtsordnung hat Vorrang gegenüber Ordnungen der Religionsgesellschaften. Behauptete Verstöße gegen Grundrechte sind im Rechtsweg auszutragen“, hielt Van der Bellen wörtlich fest.
Ausdrücklich hob der Bundespräsident das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften auf Erteilung des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen hervor. Viele Kirchen und Religionen würden zudem selbst oder durch Trägerorganisationen Schulen und Kindergärten führen und damit einen wesentlichen Dienst im Rahmen des Erziehungswesens in Österreich leisten. Dabei sei freilich stets an jene Grundwerte zu erinnern, die in der Bundesverfassung für die Schulen festgelegt sind: „Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit, sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen.“
Auch Metropolit Arsenios hob bei der Begegnung in der Hofburg im Gespräch die Bedeutung des Dialogs zwischen den Kirchen und Religionen hervor, um jeder Form von Extremismus zu begegnen bzw. vorzubeugen. Religion sei diesbezüglich nicht das Problem, sondern die Lösung dieses Problems. Österreich sei ein gutes Beispiel der Zusammenarbeit und des Miteinanders der Kirchen und Religionen, unterstrich der Metropolit. Zugleich brach er auch eine Lanze für den konfessionellen Religionsunterricht. Nach orthodoxer Ansicht habe der Staat dafür Sorge zu tragen. „Wir freuen uns, dass es den Religionsunterricht in Österreich gibt, und das soll auch so bleiben.“ Der Religionsunterricht sei einem Ethikunterricht vorzuziehen.
Das gute Miteinander von Kirchen und Religionen, wie es in Österreich der Fall ist, müsse stets aufs Neue erarbeitet und damit bewahrt werden, betonte Kardinal Schönborn in seiner Rede. „Wir müssen wachsam bleiben“, appellierte der Kardinal an die Religionsvertreter, „damit wir den Weg des Miteinander nicht verlieren.“ Der Kardinal bekräftigte einmal mehr die Position der Kirchen zu einem Ethikunterricht als verpflichtende Alternative zum Religionsunterricht. Der weltanschaulich neutrale Staat habe nicht die primäre Aufgabe, ein Ethos zu vermitteln bzw. zu geben. „Wir sind überzeugt, dass Religionen tatsächlich so etwas wie die genuinen Ethos-Vermittler sind“, so Schönborn wörtlich. Aber auch für jene, die nicht religiös sind, müsse es eine echte und ernste Reflexion über die ethischen Grundfragen geben.
© Gruppenfoto: Carina KARLOVITS/HBF
© Fotos (sitzend und Dialog zwischen Herrn Bundespräsidenten und Seiner Eminenz): kathbild